In der heutigen Produktionsplanung und -steuerung sind die effiziente Nutzung von Ressourcen und die Minimierung von Kosten entscheidend für den Unternehmenserfolg. KI und andere Algorithmen spielen entsprechend in der Produktion eine immer wichtigere Rolle. Advanced Planning & Scheduling (APS) Systeme nutzen eine Vielzahl mathematischer Methoden, die zusammen eine leistungsfähige Lösung für komplexe Aufgaben in der Feinplanung bieten. Diese Werkzeuge ergänzen sich gegenseitig und bieten zusammen eine umfassende Optimierungsstrategie.
APS-Systeme sind leistungsstarke Werkzeuge zur Optimierung von Produktionsprozessen. Sie ermöglichen eine detaillierte Planung von Fertigungsaufträgen, indem sie eine Vielzahl von Faktoren wie Liefertermine, Ressourcenverfügbarkeit und Produktionsbeschränkungen berücksichtigen. Die dafür benötigten Daten erhält das APS-System von führenden ERP- und/oder MES-Systemen. Daraus erstellt die Software einen optimierten Produktionsplan.
Die Feinplanung stellt dabei eine besondere Herausforderung dar, da sie oft widersprüchliche Ziele vereinen soll. Beispielsweise wird eine kurze Durchlaufzeit bzw. hohe Termintreue bei gleichzeitig geringer Kapitalbindung angestrebt. APS-Systeme wie GANTTPLAN modellieren diese Zielkonflikte als Kostenfunktionen und suchen nach einer optimalen Lösung, die die Gesamtkosten minimiert. Dabei werden verschiedene Prioritäten gesetzt, um den individuellen Anforderungen des jeweiligen Unternehmens gerecht zu werden.
Viele heute unter den Begriff Künstliche Intelligenz (KI) subsummierten Werkzeuge im Bereich der Produktion bzw. Produktionsplanung sind lang bewährte mathematische Optimierungsverfahren. Sowohl dialogorientierte, schrittweise Verbesserungen von Plänen durch Heuristiken und Algorithmen, als auch mathematische solverbasierte Optimierungsverfahren kommen dabei schon lange zur Anwendung. Erst mit dem Sammeln strukturierter Daten aus dem APS-System und Peripheriesystemen wie MES sind KI-Anwendungen zur Mustererkennung in der Produktion möglich, etwa Vorhersagen über abweichende Vorgangsdauern oder die Prognose eines realistischeren Liefertermins.
Dr. Kirsten Hoffmann
Produktmanagerin, DUALIS GmbH IT Solution
Die lineare Programmierung (LP) ist eine der ältesten und grundlegendsten Methoden der mathematischen Optimierung. Sie wurde in den 1940er Jahren entwickelt und fand schnell Anwendung in der Produktionsplanung, da sie einfach zu implementieren und zu lösen ist. LP eignet sich besonders gut für Probleme mit linearen Beziehungen, wie die Bestimmung der optimalen Produktionsmenge unter Berücksichtigung begrenzter Ressourcen wie Material und Arbeitszeit. Kurz nach der Entwicklung der LP wurde die ganzzahlige Programmierung (IP) eingeführt, um diskrete Entscheidungen zu modellieren. Diese Methode erweitert die LP, indem sie die Lösung auf ganzzahlige Werte beschränkt, was besonders nützlich ist, wenn Entscheidungen wie die Anzahl der zu produzierenden Einheiten oder die Auswahl bestimmter Maschinen getroffen werden müssen.
In den 1950er und 1960er Jahren wurden die Methoden weiter verfeinert. Die gemischt-ganzzahlige lineare Programmierung (MIP) kombiniert kontinuierliche und diskrete Variablen und bietet eine flexiblere und leistungsfähigere Lösung für komplexe Probleme. Diese Methode wurde zunehmend in der Produktionsplanung eingesetzt, um sowohl kontinuierliche Produktionsmengen als auch diskrete Entscheidungen wie den Maschineneinsatz zu optimieren. Die nichtlineare Programmierung (NLP) wurde ebenfalls in dieser Zeit entwickelt, um Probleme mit nichtlinearen Beziehungen zu lösen. Diese Methode erweitert die Möglichkeiten der LP und MIP, indem sie komplexere und realistischere Modelle der Produktionsprozesse ermöglicht. Ein Beispiel aus der Praxis ist die Optimierung der Produktionsmenge in der Pharmaindustrie, wobei die Produktionskosten eine nichtlineare Funktion der Produktionsmenge sind.
In den 1970er und 1980er Jahren wurden Heuristiken und Metaheuristiken populär, da sie schnelle Lösungen für sehr große und komplexe Probleme bieten. Das Nearest Neighbor-Verfahren, eine einfache und intuitive Heuristik, findet in der Produktionsplanung breite Anwendung. Bei der Planung der Produktionsreihenfolge wird so beispielsweise immer der nächste Auftrag ausgewählt, der die geringste Umrüstzeit zur aktuellen Produktion hat, um die Gesamtumrüstzeit zu reduzieren und die Effizienz der Produktionslinie zu erhöhen. Während dieses Verfahren schnell eine erste Lösung liefert, kann es in komplexen Szenarien zu suboptimalen Ergebnissen führen. Metaheuristiken wie genetische Algorithmen bieten hier einen Vorteil, indem sie durch eine evolutionäre Suche nach immer besseren Lösungen streben. Sie imitieren natürliche Evolutionsprozesse, bei denen sich die besten Lösungen durchsetzen. In der Produktionsplanung können genetische Algorithmen beispielsweise genutzt werden, um die Reihenfolge von Aufträgen so zu optimieren, dass die Gesamtbearbeitungszeit minimiert wird und gleichzeitig die Maschinenauslastung maximiert wird.
Bestimmung der optimalen Produktionsmenge unter Berücksichtigung begrenzter Ressourcen wie Material und Arbeitszeit.
Lösung auf ganzzahlige Werte beschränkt, nützlich für Entscheidungen wie die Anzahl der zu produzierenden Einheiten oder die Auswahl bestimmter Maschinen.
Optimierung sowohl kontinuierlicher Produktionsmengen als auch diskreter Entscheidungen wie den Maschineneinsatz.
Erweiterung der LP und MIP, ermöglicht komplexere und realistischere Modelle der Produktionsprozesse, z.B. Optimierung der Produktionsmenge in der Pharmaindustrie.
Bei der Planung der Produktionsreihenfolge wird mithilfe der Nearest Neighbor-Verfahren der nächste Auftrag mit der geringsten Umrüstzeit ausgewählt, um die Gesamtumrüstzeit zu reduzieren.
Genetische Algorithmen optimieren die Reihenfolge von Aufträgen, um die Gesamtbearbeitungszeit zu minimieren und die Maschinenauslastung zu maximieren.
Suche nach robusten Lösungen unter Unsicherheit, indem verschiedene Szenarien modelliert werden.
Reduziert das Risiko von Fehlentscheidungen, nützlich in maschinenintensiven Produktionsumgebungen, um robust gegenüber Störungen oder Lieferverzögerungen zu sein.
Leistungsfähig bei der Berücksichtigung vieler Nebenbedingungen wie Maschinenverfügbarkeit und Wartungszeiten.
Diskrete ereignisorientierte Simulation (DES) bietet detaillierte Einblicke in das Systemverhalten und ermöglicht die Untersuchung verschiedener Szenarien.
Erkennung von Mustern in großen Datenmengen und Vorhersagen, um aus historischen Produktionsdaten wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen und präzisere Prognosen für zukünftige Prozesse zu erstellen.
In den 1990er Jahren rückte die Berücksichtigung von Unsicherheiten und Variabilitäten in den Fokus. Die stochastische Programmierung wurde entwickelt, um robuste Lösungen unter Unsicherheit zu bieten, indem verschiedene Szenarien modelliert werden. Diese Methode ist besonders wichtig in der taktischen Produktionsplanung, wo die Nachfrage und andere Faktoren noch unsicher sein können. Die robuste Optimierung wurde ebenfalls in dieser Zeit populär, da sie Lösungen bietet, die unter verschiedenen Bedingungen gut funktionieren. Diese Methode reduziert das Risiko von Fehlentscheidungen und ist beispielsweise in maschinenintensiven Produktionsumgebungen wie der Automobil- und Elektronikindustrie und dem Maschinenbau nützlich. Das Ziel ist es, robust gegenüber Störungen bzw. Ausfällen von Fertigungsmaschinen oder Lieferverzögerungen zu sein.
In den 2000er Jahren wurden Constraint Programming und Simulationen zunehmend in der Produktionsplanung eingesetzt. Constraint Programming ist besonders leistungsfähig, wenn eine Vielzahl von Nebenbedingungen berücksichtigt werden muss, wie z.B. Maschinenverfügbarkeit und Wartungszeiten. Simulationen, insbesondere die diskrete ereignisorientierte Simulation (DES), bieten detaillierte Einblicke in das Systemverhalten und ermöglichen die Untersuchung verschiedener Szenarien.
Machine-Learning-Algorithmen sind eine der neuesten Entwicklungen im Bereich der Produktionsoptimierung. Sie sind besonders nützlich, um Muster in großen Datenmengen zu erkennen und Vorhersagen zu treffen.
Die auf heuristischen Modellen basierende Feinplanung stößt an ihre Grenzen, da sie die dynamische Natur von Produktionsprozessen nicht ausreichend berücksichtigt. Statische Annahmen über Prozesszeiten und Ressourcenverfügbarkeiten können zu einer zunehmenden Diskrepanz zwischen Planung und Realität führen. Unvorhergesehene Ereignisse wie Maschinenausfälle oder Materialengpässe machen oft eine adaptive Neuplanung erforderlich. Zudem werden dynamische Einflussfaktoren, wie Lerneffekte von Mitarbeitern oder eine wechselnde Raumtemperatur, häufig nicht berücksichtigt.
Um diese Herausforderungen zu meistern, bietet sich ein datengetriebener Ansatz an. Durch den Einsatz von maschinellem Lernen (ML) können aus historischen Produktionsdaten wertvolle Erkenntnisse gewonnen und präzisere Prognosen für zukünftige Prozesse erstellt werden. Dabei werden ML-Modelle kontinuierlich mit neuen Daten aktualisiert, um ihre Genauigkeit und Relevanz zu verbessern.
Konkret bedeutet dies, dass relevante Produktionsdaten erhoben, aufbereitet und mithilfe geeigneter Algorithmen (wie Zeitreihenanalyse, Regression oder Klassifikation) modelliert werden, die die zukünftige Entwicklung von Prozesszeiten, Ressourcenbedarf und anderen relevanten Parametern vorhersagen können. Diese Modelle können dann in die Feinplanung integriert werden, um eine dynamische Anpassung der Produktionspläne an sich verändernde Bedingungen zu ermöglichen.
Die Vorteile eines solchen datengetriebenen Ansatzes liegen auf der Hand: Höhere Genauigkeit der Prognosen, größere Flexibilität der Planung, proaktive Identifikation von Problemen und eine insgesamt bessere Entscheidungsbasis für die Produktionsplanung.
Allerdings sind hierbei auch besondere Herausforderungen zu bewältigen, wie die Gewährleistung einer hohen Datenqualität, die Auswahl geeigneter Algorithmen und die Berücksichtigung der erforderlichen Rechenleistung.
Dr. Kirsten Hoffmann
Produktmanagerin, DUALIS GmbH IT Solution
Maschinelles Lernen (ML), ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz, ist ein hochaktuelles Forschungsthema. Es beschreibt die Fähigkeit, aus historischen Rohdaten wertvolle Informationen und Muster zu extrahieren. Dank der zunehmenden Rechenleistung und der Vernetzung zahlreicher intelligenter Sensoren in der Fertigung stehen ausreichend Daten zur Analyse bereit. Eine ML-optimierte Produktionsplanung rückt jedoch erst dann in greifbare Nähe, wenn strukturierte Daten aus allen planungsrelevanten Systemen erfasst werden und verfügbar sind.
Die Einsatzmöglichkeiten von ML in der Produktion sind vielfältig: Sie reichen von präziseren Schätzungen von Vorgabe- und Prozesszeiten, besseren Lieferterminprognosen und Make-or-Buy-Entscheidungen bis hin zur Anwendung bei Qualitätskontrollen. Ein weiterer wichtiger Anwendungsbereich ist die Root Cause Analysis (RCA) bzw. Ursachenanalyse. Diese Methode dient der Identifizierung und Beseitigung der Hauptursachen von Problemen in Produktionsprozessen, wie Maschinenstillständen, Qualitätsmängeln oder ineffizienten Abläufen. Ein anschauliches Beispiel für RCA zeigt sich in einem Fall, bei dem die Maschinengeschwindigkeit stets zu bestimmten Zeiten abfiel. Dies trat immer dann auf, wenn Lieferungen durch offenstehende Rolltore in die Fertigungshalle gelangten. Die kalte Zugluft verursachte direkt den Geschwindigkeitsabfall der Maschine. Ziel der RCA ist es entsprechend, nicht nur die Symptome zu erkennen, sondern die zugrunde liegenden Ursachen zu finden und zu eliminieren, um zukünftige Probleme zu verhindern.
Die präzise Bestimmung von Vorgabe- und Prozesszeiten ist ein zentraler und oft kritischer Aspekt in der Produktionsplanung. Traditionell werden diese Zeiten von erfahrenen Meistern geschätzt, was im Durchschnitt zu brauchbaren Ergebnissen führt. Allerdings wird die Schwankungsbreite der potenziellen Parameter im Planungsprozess nicht immer adäquat abgebildet, da die Auslöser und ihre Komplexität nicht immer erkannt werden können.
Ein weiteres Problem tritt auf, wenn erfahrene Mitarbeiter ausscheiden und aufgrund des Fachkräftemangels keine gleichwertig qualifizierten Kollegen nachrücken können. Zudem können Schätzungen durch Personen oft voreingenommen und subjektiv sein.
Der Einsatz von Machine Learning (ML) zielt darauf ab, Vorgabe- und Prozesszeiten unter Berücksichtigung verschiedenster Merkmale und Einflussfaktoren realistischer zu schätzen. Dies führt zu einer deutlich verbesserten Planungsgüte. Durch ML können Fehler im Planungsmodell korrigiert werden, die sonst nur durch regelmäßiges, zeitaufwändiges und ressourcenintensives Neuplanen behoben werden könnten.
Eng mit der Ermittlung präziserer Vorgabe- und Prozesszeiten verknüpft ist die Verbesserung der Vorhersagegüte von Lieferterminen, die heute wichtiger denn je ist. Schwankungen in der Nachfrage, unerwartete Störungen in der Produktion oder Lieferengpässe können zu erheblichen Problemen in der Lieferkette führen. Maschinelles Lernen (ML) bietet hier eine innovative Lösung, um die Genauigkeit von Lieferterminprognosen deutlich zu steigern. Dabei werden sowohl zukünftige Kapazitäten berücksichtigt als auch historische Produktionsdaten genutzt, um die ML-Algorithmen zu trainieren. Diese Daten umfassen beispielsweise Informationen über vergangene Aufträge, Maschinenlaufzeiten, Lieferantenausfälle und externe Faktoren wie saisonale Schwankungen. Auf Basis dieser Daten lernt das ML-Modell komplexe Muster und Zusammenhänge zu erkennen, die für menschliche Analysten oft schwer zu identifizieren sind. So können beispielweise realistischere Vorhersagen von Durchlaufzeiten, Wahrscheinlichkeiten von Verzögerungen, dynamische Anpassung von Produktionsplänen oder das Erkennen von Anomalien abgebildet werden. Mithilfe von ML-Algorithmen können so Abweichungen von normalen Mustern in den Produktionsdaten identifiziert werden, wie beispielsweise ungewöhnlich lange Bearbeitungszeiten oder erhöhte Ausschussraten. Diese Anomalien können auf potenzielle Probleme hinweisen, die über die o.g. Root Cause Analysis (RCA) behoben werden können.
Wie bereits skizziert, kann ML bei Make-or-Buy-Entscheidungen im Produktionsumfeld erheblich unterstützen, indem es datenbasierte Analysen und Vorhersagen ermöglicht. Zunächst werden historische Daten zu verschiedenen Aspekten der Produktion gesammelt, darunter Produktionskosten, Lieferantenleistungen und Qualitätsmetriken. Diese Daten werden aufbereitet und in ein geeignetes Format gebracht. Anschließend werden ML-Algorithmen mit diesen Daten trainiert, um Muster und Zusammenhänge zu erkennen, die für die Entscheidungsfindung relevant sind. Nach dem Training analysieren die ML-Modelle die Daten und liefern Vorhersagen über die Kosten, Risiken und Vorteile von Eigenfertigung im Vergleich zum Fremdbezug. Diese Vorhersagen helfen dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen. Basierend auf diesen Vorhersagen können Unternehmen verschiedene Szenarien simulieren und die optimale Entscheidung treffen, die sowohl Kosten als auch Risiken minimiert. Durch diese datengetriebene Herangehensweise können Unternehmen fundierte und effiziente Make-or-Buy-Entscheidungen treffen, die ihre Produktionsprozesse optimieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern.
Das im Januar 2023 gestartete und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Projekt REPLAKI (REalistischer PLAnen mit KI) erforscht die Herausforderungen der „Losgröße 1“ im Spannungsfeld volatiler und oft nur unzureichend digitalisierter Wertschöpfungsketten im Automotive-Bereich. Dazu haben sich neben DUALIS zehn weitere starke Partner aus Forschung und Praxis, darunter die Kurt Zecher GmbH und die Galfa GmbH & Co. KG, vereinbart.
Ziel des Projekts ist es, die Wirkzusammenhänge historischer Prozessdaten mittels Künstlicher Intelligenz (KI) und Maschinellem Lernens (ML) zu analysieren und sie zur Erhöhung der Vorhersagegenauigkeit von Produktionsplänen zu nutzen. Im Fokus stehen dabei sowohl die realistischere Prognose von Lieferterminen und Vorgangsdauern als auch eine datengestützte Neuteileplanung.
Piotr Majchrzak
Leiter Supply Chain Management, Galfa GmbH & Co. KG